Führen wird gemeinhin nicht differenziert. Führen ist eben Führen. Ein differenzierter Blick lässt aber interessante Einblicke zu: Führen ist beeinflusst vom zeitlichen Fokus und von den Funktionen, die geführt werden. Wir unterscheiden somit operatives Führen, das Mitarbeiter steuert, taktisches Führen, das Führungskräfte steuert und strategisches Führen, das Unternehmen steuert. Jede dieser Führungsrollen hat einen anderen Schwerpunkt und braucht daher andere Kernkompetenzen des Funktionsinhabers. 

Die Praxis zeigt, dass die unterschiedlichen Führungsrollen einen stufenweisen Aufbau der Führungspersönlichkeit unterstützen. Nicht jeder ist für die nächste Führungsrolle geeignet. Das ist kein Manko, sondern eine Stärke. Die Führungsrolle, die am besten zu den eigenen Kompetenzen passt, ist die Richtige. Wer alle durchlaufen hat, konnte die wertvolle Erfahrung sammeln, wie sich Topmanagement und Mittelmanagement idealerweise ergänzen und dies zukünftig zielstrebig einsetzen. In jedem Falle entspricht ein stufenweiser Durchlauf einem Reifeprozess, wie er für Topmanagementfunktionen unabdingbar sein sollte:

Stufe 1 – Expertenführung
Fachliches Führen

Sie braucht exzellente Fachkenntnisse und den Willen, andere am eigenen Wissen Teil haben zu lassen. Förderung der Mitarbeiter durch Wissenszuwachs mit Rücksichtnahme auf das jeweilige Tempo des Auszubildenden ist essenziell.

Stufe 2 – Führung von Mitarbeiter
Operatives Führen

Diese Art von Führung fokussiert die Zielerreichungen im Budgetjahr. Sie braucht Leistungsorientierung zur Zielerreichung, Organisationsgeschick für Aufgabenverteilungen und Schnittstellenmanagement, Empathie und Beziehungsstärke zur Teambildung. Delegieren der Fachaufgaben ist eine Key Kompetenz. Das Entwickeln von Senior-Mitarbeitern, die fachlich mehr wissen als man selbst als Führungskraft, ist die eine der beiden Zielsetzungen. Die andere ist, die besten Mitarbeiter langfristig ans Unternehmen zu binden.

Stufe 3 – Führung von Führungskräften
Taktisches Führen

Sie ist auf die nächsten zwei bis drei Jahre ausgerichtet und braucht den Willen zur Standardisierung und Automatisierung. Taktisches Führen von Führungskräften adressiert Prozesse, Regelwerke und Strukturen. Im besten Fall strebt sie das Heben von Optimierungspotenzialen an. Gruppendynamische Kenntnisse und System- und Lösungsorientierung sind wichtige ergänzende Key Kompetenzen. Sie gewährleisten das professionelle Verstehen von Change Erfordernissen und deren erfolgreiche Bewältigung.

Stufe 4 – Führung von Organisationen
Strategisches Führen

Die Führung von Organisationen ist auf mehr als fünf Jahre ausgerichtet. Sie braucht den Fokus auf Vision und Strategie und fordert Innovationen, die die Zukunft sichern. „Unternehmensturbulenzen von heute sind strategische Managementfehler von gestern.“ Die Zukunftseinschätzungen dieser Führungsrolle werden genährt durch das Interesse an Trends und durch den Austausch über Branchen, Landesgrenzen und Kulturkreise hinweg. Zukunftsszenarien werden entwickelt, verworfen, neu entwickelt. Es braucht Mut, Innovationskraft und Leidenschaft basierend auf einem starken ethischen und moralischen Empfinden – um so dem Streben nach Wachstum und Profit zum körperlichen und emotionalen Schaden anderer widerstehen zu können.

Jede Stufe bringt wichtige Erfahrungen mit sich

Das Durchlaufen dieser vier Stufen in Konzernen gibt die Möglichkeit, die Führungspersönlichkeit stufenweise durch Ausübung der verschiedenen Führungsrollen zu entwickeln. So kann schon in sehr jungen Jahren eine operative Führungsaufgabe übernommen werden. In Konzernen eine Führungsrolle zu überspringen ist nicht ratsam. Selbst wenn beispielsweise im operativen Führen nicht ganz das eigenen Talent liegt. Die Erfahrung zählt und lässt in Folge das notwendige Verständnis für die unterschiedlichen Führungsschwerpunkte reifen.

Wie lange dauert es, um diese vier Stufen zu durchschreiten? Üblicherweise ist das ein Karriereweg, der circa 15 Jahre Berufserfahrung umfasst. Stufenweise wird die Managementkompetenz für die Vorstands- oder Geschäftsführerrolle ausgebildet.

Besondere Herausforderung: Kleinunternehmer, Start-up Gründer und Ein-Personen-Unternehmer

Die anspruchsvollste Rolle ist die Unternehmerrolle in Kleinunternehmen oder von EPU: Sie erfordert zusätzlich zur Expertenrolle alle vier Führungsrollen. Das führt manchmal zur Überforderung der Betroffenen und ein Scheitern kann vorprogrammiert sein, wenn der taktischen (in diesem Fall Lieferanten, Netzwerkpartner, Supporter)  und strategischen Führungsrolle zu wenig Augenmerk geschenkt wird. Nicht umsonst legen Investoren und Business Angels mittlerweile das größte Augenmerk auf die „allumfassenden“ unternehmerischen Fähigkeiten des Start-up Eigentümers. Nur zu selten ist es bei uns üblich, dass Topmanager in ihrer beruflichen Vergangenheit ein paar Jahre selbständig als Unternehmer gearbeitet haben. Es wäre ein wertvoller Beitrag zum Reifen zur Führungspersönlichkeit.

Aktuelle Führungstendenzen

In Konzernen können die vier Führungsrollen arbeitsteilig den Hierarchieebenen zugeteilt werden. Beobachtbar ist, dass die derzeitige Lieblingsrolle in der Privatwirtschaft die taktische Führungsrolle ist: Organisation mit Fokus auf Prozesse, Strukturen und Ressourcenmanagement. Da kann das umfangreiche Managementwissen der letzten 20 Jahre am besten eingebracht werden.

Strategisches Führen ist eine Königsdisziplin wird aber momentan in Unternehmen vom Topmanagement am allerwenigsten praktiziert. Es fällt in der Gegenwart nicht weiter auf, wenn Strategiearbeit vernachlässigt wird. Und wenn ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, dann ist oftmals der Schuldige schnell gefunden: die Krise, der Staat, die Digitalisierung, der Mitbewerber etc. Dabei sind vielfach bei Unternehmensturbulenzen von heute die fehlende strategische Managementarbeit von gestern die Ursache. Aber die Topmanager, die das verabsäumt haben, sind dann schon nicht mehr im Amt.

Fit in Leadership mit erfahrenen Sparring Partnern

Um kompetente, professionelle Manager auf allen Ebenen und in allen Führungsrollen auf Dauer erfolgreich zu halten, ist ein gezieltes Sparringprogramm nützlich. Es geht nicht um die Verbesserung von Defiziten, sondern um eine dauerhafte Stärkung der Manager – so werden und bleiben sie fit in Leadership.

Hinweis: Bei personenbezogenen Bezeichnungen wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Bezeichnung gewählt.