Führungskräfte müssen ständig Entscheidungen treffen – auch jene, ob man lieber als Kollege oder Chef wahrgenommen werden will. Warum ist es so wichtig, hier einen Unterschied zu machen? Vor allem frischgebackene Führungskräfte, die zuvor ganz klar Kollegen waren, möchten ihre neue Chefrolle nicht besonders hervorheben. Kann dies doch bedeuten als arrogant zu gelten. Man möchte doch vermeiden, dass Sätze wie diese im Büro zu hören sind: „Seit er/sie Chef ist, hält er/sie sich für etwas Besseres.“

Über den Chef lästern als Psychohygiene

Als Führungskraft nimmt man immer eine exponierte Stellung ein. Man steht im Mittelpunkt, auf der Bühne, im Scheinwerferlicht – immer unter ständiger Beobachtung. Und natürlich wird über einen geredet: Was hat er heute schon wieder? Wie schaut sie heute denn wieder aus? So ungerecht! So gemein! Und auch noch persönlicher: Die Frisur ist schrecklich. Der Anzug altmodisch. Die Schuhe ungeputzt. Mitarbeiter sprechen über ihre Chefs. Das ist meist nicht böse gemeint, sondern hat eher etwas mit Psychohygiene zu tun. Denn die Aufgaben einer Führungskraft liegen unter anderem darin, Ergebnisse zu sichern, Kosten zu sparen und Unternehmensvermögen zu verwalten. Diese Zielsetzungen liegen oftmals den Interessen der Mitarbeiter entgegen. Und dann kommt es zu Vorgaben, Regelwerken und wenn diese nicht eingehalten werden auch zu Kritikgesprächen. Um Spannungen und Druck abzubauen, wird auch der Chef kritisiert und bemängelt. Man verschafft sich einen Ausgleich, in dem man ihn bewertet – manchmal auch abwertet.

Negatives wird dem Positiven vorgezogen

So wie man über Kunden klagt, weil sie schwierig sind, über das Wetter, weil es schlecht ist, über die Politiker, weil sie das Pensionsalter hinaufsetzen, über den lieben Gott, weil er noch immer den Lottosechser nicht ermöglicht hat: alles Psychohygiene. Man beklagt sich, hat etwas auszusetzen, nörgelt rum. Selten spricht man positiv. Irgendwie liegt es in der Natur der Menschen eher den Mängelblick aufzusetzen und somit auch den Chef als Mängelexemplar zu begutachten. Damit gilt es als Führungskraft zu leben. Das muss man aushalten.

Anbiedern nicht nötig: Ein beliebter Chef ist hart aber herzlich

Für neue Führungskräfte ist es am Anfang oft schwierig mit der ständigen Be- und Verurteilung im Nacken umzugehen. Möchte man doch beliebt, bewundert, respektiert, verehrt werden. Das wird man auch, wenn man fair und gerecht ist, wertschätzend, freundlich aber auch klar, direkt und unmissverständlich Leistung einfordert. Beides ist wichtig – hart aber herzlich! Und das beständig, denn nur so können langfristig tragfähige Beziehungen aufgebaut werden. Man schätzt einander, kann sich aufeinander verlassen und trotzdem bleibt jeder in seiner Rolle. Die Führungskraft bleibt Führungskraft und biedert sich nicht als Kollege und Kumpel an. Denn das ist nur oberflächlich betrachtet hilfreich. Am Ende des Tages verwirrt und verunsichert es. Wie der Wolf im Schafspelz. Man verlässt seine Rolle und stürzt ins Kollegensystem. Da kann man dann mitschimpfen und mitlamentieren. Das ist aber nicht hilfreich, denn als Führungskraft steht man auf der Unternehmensseite. Man trägt für seinen Bereich die Gesamtverantwortung. Man hat zu entscheiden und dafür die Konsequenzen zu tragen. Deshalb darf man Anschaffen und Einfordern. Das differenziert die Führungskraft von den Mitarbeitern und macht sie zur eigenen Kategorie.

Auch in Pausen die Rolle der Führungskraft nicht verlassen

Die Mitarbeiter haben Kollegen. Sie können sich austauschen, gemeinsam in der Pause Kaffee trinken und Mittagessen gehen. Es ist wichtig, dass sie das aufgrund der schon erwähnten Psychohygiene und aus sozialen Bedürfnissen auch tun. Führungskräfte verbringen auch gern die Pause mit den Mitarbeitern, um sie besser kennenzulernen – aber bitte nicht jede Pause. Denn wenn der Chef dabei ist, hat es einen offiziellen Charakter. Dann muss er eingreifen und deeskalieren, wenn über das Topmanagement, das neue Produkt oder die Budgetziele gemeckert wird. Nichts zu sagen bedeutet nämlich Zustimmung. Und wenn der Chef beim Mittagessen nicht Führungsarbeit leistet und inhaltlich dagegen hält, heißt es hinterher, er wäre dabei gewesen, hätte nichts gesagt und somit zugestimmt.

Ganz oben in der Hierarchie arbeitet es sich besser mit einem Coach

Daher ist es besser, als Führungskraft auch ab und zu mit anderen Führungskräften derselben Ebene die Pausen zu verbringen. So kann man auch selbst Psychohygiene betreiben. Allerdings: Je höher in der Hierarchie, umso einsamer – da die Anzahl der Kollegen auf derselben Ebene schlicht weniger wird. Dann ist es hilfreich, sich extern mit einem Coach professionell auszutauschen. Dieses Sparring besteht nicht nur aus Psychohygiene, sondern auch aus Klärung und Lösungsfindung. Der eigene Assistent oder Sekretär sollte zur Psychohygiene in keinem Fall verwendet werden. Es ist unprofessionell und bringt ihn in Loyalitätskonflikte. Schnell kann er sich auch überfordert fühlen, da er nicht wie ein externer Coach über Methodenvielfalt und Abgrenzungsmöglichkeiten verfügt.