Es mag simpel und selbstverständlich klingen, die volle Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Es wird oft mit dem Erwachsenwerden assoziiert, ein Zustand, in dem man tun und lassen kann, was man möchte, ohne fremde Einmischung, ohne Einschränkungen, ohne lästige Pflichten … Schön wäre es, könnte man an dieser Stelle sagen. Denn kaum ist man sich seiner Verantwortung bewusst, beginnt der Ernst des Lebens! Warum das süß und bitter zugleich ist, wollen wir nachfolgend erörtern!

Eigenverantwortung leben

Verantwortung zu übernehmen bedeutet, Eigenverantwortung zu praktizieren. Wenn man eigenverantwortlich denkt und handelt, bewegt man sich innerhalb der Schranken familiärer, beruflicher und gesellschaftlicher Normen und Grenzen. Diese Grenzen sind durch Gesetze, Normen und Regeln definiert, die das Miteinander regeln. Sie kennzeichnen den Punkt, an dem die Freiheit des Einzelnen endet und Platz für ein geregelteres Zusammenleben schafft. Freunde, Kollegen, Mitbewohner und Familienmitglieder schränken unsere persönliche Freiheit ein, da sie Erwartungen und Ansprüche an uns haben. Die Anerkennung und Einhaltung dieser Erwartungen bedeutet eigenverantwortliches Handeln. Warum ist das im beruflichen Kontext von Bedeutung?

Das Ignorieren dieser Grenzen führt zu persönlichen und sozialen Konflikten, die oft nur durch Rückzug gelöst werden können. Eigenverantwortung bedeutet, die bestehenden Regelwerke und Gesetze zu erkennen und zu respektieren. Dies ist im beruflichen Umfeld besonders wichtig, da Regelverstöße schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen können, wie Jobverlust, Versetzung oder Karriereeinbruch.

Teamarbeit

Jede Art der guten Teamarbeit ist gekennzeichnet von einem hohen Bewusstsein der Teammitglieder für die persönliche Eigenverantwortung. Nur wenn jeder Einzelne die getroffenen Vereinbarungen in Bezug auf Termintreue, Ergebnisqualität, Kommunikation und soziales Verhalten einhält, kann eine erfolgreiche Zusammenarbeit ermöglicht werden. Regelmäßige Info- und Feedbackschleifen zum Fortschritt der gemeinsamen Arbeit schaffen Transparenz und ermöglichen es, Optimierungen und Verbesserungen zu besprechen und umzusetzen. Führungskräfte können sich auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens konzentrieren und die Rahmenbedingungen schaffen, während die persönliche Rückmeldung zur Leistungserfüllung und Beurteilung des Verhaltens entfallen könnte.

Leider sind wir in der betrieblichen Realität oft weit von diesem Ideal entfernt. Stattdessen hegen wir Missverständnisse:

  • Wir wünschen uns Feedback von anderen und sehen dies als Wertschätzung. Wahre Eigenverantwortung erfordert die Fähigkeit zur Selbstreflexion und das Lernen aus persönlichen und gemeinsamen Erfahrungen.
  • Regelwerke werden als Einschränkung der persönlichen Freiheit empfunden. Wahre Eigenverantwortung bedeutet, die Möglichkeiten und Konsequenzen zu erkennen und die beste Handlungsoption auszuwählen, während die Grenzen anderer respektiert werden.
  • Wir setzen unsere Wünsche und Vorlieben durch oder erlauben uns Nachlässigkeit. Wahre Eigenverantwortung erfordert das Erkennen persönlicher Ziele und deren Verfolgung unter Beachtung der Bedürfnisse anderer.

Verantwortung gegenüber anderen

Spätestens im privaten Umfeld, wenn wir Eltern werden, oder im beruflichen Kontext, wenn wir eine Führungsrolle übernehmen, tragen wir Verantwortung für andere. Dies betrifft nicht nur das Lehren, sondern auch das Verhalten gegenüber anderen und die Einhaltung von Regelwerken. Oft fühlen sich diejenigen, die von diesen Regeln betroffen sind, in ihrer Freiheit eingeschränkt und kämpfen dagegen an. Gegen diese emotionalen Widerstände Regeln durchzusetzen und dabei die Freundlichkeit und das Wohlwollen aufrecht zu erhalten ist eine der emotional und mental anstrengendsten Aufgaben in der Führung. Oft wird die Energie, die in diese Aufgabe investiert wird, nicht zur Einsicht, sondern zum Widerstand genutzt. Klar definierte Grenzen und transparente Konsequenzen sind notwendig, um die Regeln nachhaltig zu etablieren. Das ist nicht nur herausfordernd und anspruchsvoll, sondern kann oft besonders fordernd sein, insbesondere wenn die Betroffenen ihre Eigenverantwortung nicht übernehmen. Aufgaben, die auch die Verantwortung gegenüber anderen beinhalten, erfordern ein hohes Maß an Empathie für das Zusammenleben und die konsequente Durchsetzung der Gemeinschaftsregeln.

Kann man Verantwortung teilen?

Ja, in familiären Zusammenhängen geschieht dies oft in Form von Elternschaft. Im betrieblichen Umfeld ist die duale Geschäftsführung gängig, in der die Aufgabenverteilung in einer Geschäftsordnung festgelegt ist. In komplexen Unternehmensstrukturen sind Mehrfachgeschäftsführungen, wie beispielsweise Vorstandsteams, üblich. Selbst im mittleren Management wird die Idee einer geteilten Führungsverantwortung aufgrund veränderter Wertvorstellungen und eines agileren Umfelds immer häufiger diskutiert. Es gibt verschiedene Modelle, aber im Wesentlichen unterscheiden sich zwei Hauptansätze:

Duale Führung unter Berücksichtigung der Arbeitszeit:

Eine Führungskraft ist immer vor Ort und trägt die volle Verantwortung und Befugnisse. Entscheidungen und Beurteilungen werden in Zusammenarbeit mit der anderen Führungskraft getroffen. Klare Kommunikation und gemeinsame Rahmenbedingungen sind die organisatorischen Grundlagen, während ähnliche Werte und Führungsprinzipien die persönlichen Voraussetzungen sind.

Duale Führung unter Berücksichtigung der Zuständigkeiten:

Eine Führungskraft ist für organisatorische Aufgaben wie Zielsetzung, Struktur und Ressourcenverwaltung verantwortlich, während die andere Führungskraft für das disziplinäre Verhalten, kulturelle Umgangsformen sowie Personalentwicklung und -förderung zuständig ist.

Kann man die Übernahme von Verantwortung erlernen?

Ja, Eigenverantwortung entwickelt sich mit persönlicher Reife. Dies erfordert eine kontinuierliche Entwicklung, die durch die Reflexion eigener Werte, Grundsätze, Ziele und Erwartungen erreicht wird. Im beruflichen Kontext sind Coachingprozesse und spezialisierte, systemisch-lösungsorientierte Ausbildungen wie Business Coach Ausbildungen förderlich. Im privaten Umfeld können Psychologen, Therapeuten und Lebens- und Sozialberater bei Lebenskrisen und Sinnfragen unterstützen.

Die Übernahme von Verantwortung für andere erfordert spezifische Führungsausbildungen und Führungscoachings. Dies ist keine einmalige Aufgabe, sondern ein kontinuierlicher Prozess, da sich die Anforderungen an Führung ständig weiterentwickeln. Leben bedeutet Verantwortung, und Verantwortung bedeutet, eigenständig zu handeln.

 

Hinweis: Bei personenbezogenen Bezeichnungen wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Bezeichnung gewählt.