Alles alleine können, alles alleine machen, alles alleine wissen. Welche Führungsfrau kennt dieses Streben nicht? „Nur wenn ich es kann, bin ich unabkömmlich.“ „Niemand kann es so gut wie ich. Daher mache ich es lieber besser gleich selber. Es kostet ja so viel Zeit, das jemandem zu erklären, ich bin dreimal so schnell.“ So aber werden Sie diese Aufgabe nie los. Denken nur Frauen in Führungsfunktionen auf diese Art und Weise?

Führungskompetenzen werden anerzogen

Nein, auch Männer – aber seltener. Frauen haben auch heute noch eher einen anerzogen Willen zu gefallen. Dafür erhalten sie Lob und Anerkennung: „Braves Mädchen!“ Und das in einer Zeit, wo wir viele alleinerziehende Mütter haben, viele Kinderpädagoginnen und in den Pflichtschulen sind viele Frauen Lehrerinnen. Wir Frauen erziehen unsere Mädchen zu angepassten Erwachsenen, die Ausdauer und Sitzfleisch beim Basteln, Malen und Zeichnen haben. Das Positive daran ist, dass wir sie zu Gewissenhaftigkeit, Genauigkeit und Detailorientiertheit erziehen. Das sind aber nicht die Kompetenzen, die uns als Führungsfrauen entscheidungsfreudig, souverän und konfliktfähig machen.

Männer und Frauen werden auch in Führungsebenen mit zweierlei Maß gemessen

Stattdessen können Führungsfrauen mit Stärke punkten – keine Unterstützung in Anspruch nehmen (bloß kein Coaching). „Ich bin ja Führungskraft geworden, weil ich es kann.“ Bloß keine Schwäche zeigen. „Ich bin ja eine starke Führungsfrau – deshalb bereite ich mich intensiv auf alle Eventualitäten vor.“ Zugegeben, die Gesellschaft verzeiht auch nach wie vor männlichen Führungskräften mehr – sowie sie auch bei Jungen mehr Unzulänglichkeiten zuerkennt: Jungen sind halt so: schubsen, sind rüpelhaft, ungehörig, schlampig, vergesslich und rau im Ton. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Zudem sind Frauen gegenüber Frauen im Regelfall kritischer als Männer es Frauen gegenüber jemals sein können. Lediglich der eigene Anspruch der Frau kann den Anspruch ihrer Kolleginnen toppen.

„Sei perfekt!“ haben Frauen in ihren Köpfen verankert

Dieser Anspruch an Perfektion braucht unglaublich intensive Vorbereitungen, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Die Ergebnisse sind dann unübertrefflich. Das spornt an, noch mehr von sich zu erwarten und zu fordern – ein Teufelskreis, dem man schwer entrinnt und der die Mitarbeiter mit in seinen Bann zieht. Da wird bis in die Nacht hinein gearbeitet, um Folien auf Punkt und Beistrich zu trimmen. Jeder Auftrag wird wahrgenommen. Consultingunternehmen leben über Gebühr davon.

„Und wenn ich das kann, dann kann ich das auch meinen Mitarbeitern abverlangen.“ Dieser Anspruch ist veraltet. Vorbild zu sein bedeutet heutzutage etwas anderes. Die Führungsrolle ist nicht mit der Mitarbeiterrolle vergleichbar. Der Anspruch der Führungskraft an Perfektion soll nicht zum Maßstab für die Mitarbeiter werden.

Drei Schritte, um dem Teufelskreis zu entkommen

  1. Schritt: Für Führungskräfte gelten andere Regeln

Später ins Büro kommen und früher aus dem Büro gehen gehört dazu. Weil für Meetings, Mails und Konzepte oftmals in der Nacht, am Wochenende oder im Urlaub gearbeitet wird. Ideen und Lösungen kommen nicht ausschließlich zwischen 09:00 und 17:00 Uhr. Zudem muss auch Führungskräften bewusst werden, dass Seniormitarbeiter fachlich besser Bescheid wissen als sie selbst. Denn sie sind die Profis im Detail. Folgendes sollte man sich stets im Kopf behalten:„Meine Ausdauer, meine Genauigkeit, meine Perfektion wird nicht zum Maßstab für die Leistungen meiner Mitarbeiter – wohl aber meine Leichtigkeit, meine Fröhlichkeit, meine Zuversicht, mein Mut!“

  1. Schritt: Mit vollem Bewusstsein Mitarbeiter führen

Führen heißt sich seiner Persönlichkeit, seiner Werte, seines Verhaltens und deren Auswirkung auf das Umfeld bewusst zu sein. Führen heißt Organisationsgeschick zu besitzen, um für Mitarbeiter ideale Rahmenbedingungen herstellen zu können. Und Führen heißt, Beziehungen einzugehen und dauerhaft unterhalten zu können – im vollen Bewusstsein der eigenen Führungsrolle und ihrer Zuständigkeiten und Grenzen.

  1. Schritt: Reflexion und Weiterentwicklung

Selbsterfahrung und Reflexion mit Unterstützung professioneller Coaches und Sparringpartner helfen ein ausgewogenes Streben nach stimmigen Ergebnissen herzustellen.

Zwei neue Vorsätze sind in jedem Fall hilfreich, um dem eigenen Führungsanspruch jemals gerecht werden zu können:

  • Statt: Sei perfekt! – Gib 80%! – das genügt meistens schon.
  • Statt: Sei stark! – Mach dich größer und wichtiger!

 

Hinweis: Bei personenbezogenen Bezeichnungen wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Bezeichnung gewählt.