Tagebucheinträge von Veronika Aumaier (Gründerin und Mitgeschäftsführerin von AUMAIER & Partner Coaching GmbH)

Es war auch bei mir soweit: urlaubsreif! Das war daran zu erkennen, dass ich alles, was nicht unmittelbar mit dem Job zu tun hatte nicht mehr unter Kontrolle hatte: Haustürschlüssel, Handwerkertermine, Gärtner. Wie passend, dass der zweiwöchige Urlaub bevorstand – geplant als kleine Auszeit von den vergangenen 60-Stunden-Wochen. Doch wie erfolgreich werde ich abschalten können?

Die Umstände: Zwei Wochen Auszeit in alter Sommerfrische-Manier. Das bedeutet: Reizarmes Umfeld ohne Shopping-Möglichkeiten, Cafés, Eisdielen und Restaurants. Kein Swimming-Pool mit Animationen, Freizeitaktivitäten und Sportangeboten. Keine Urlaubsbekanntheiten! Nein, schlicht und einfach: Natur pur! Ich steuerte die Gegend meiner Kindheit an: Ehemals ein Luftkurort vor den Toren Wiens, nun touristisch unerschlossen. Alles in allem: Ein idealer Ort für meine geplante Auszeit.

Tag 1

Der nahegelegenen Wallfahrtsort lockt. Ich brauche offensichtlich im Moment noch Termine und Vorhaben – auch wenn sie rein privater Natur sind. Ein kleiner Trick schafft Abhilfe: Die Hin- und Rückfahrt mit der Bahn verpflichtet termintreu zu sein und die Uhr im Auge zu behalten, sonst ist eine Wartezeit von 1-2 Stunden bei diesem Fahrplantakt vorprogrammiert. Im Ausflugsziel angekommen, verlangsamt sich die Zeit rapide. Wallfahrtsgänger haben offensichtlich keine Eile.

Tag 2

Tagespläne und To Dos müssen offensichtlich auch am 2. Tag noch sein. Regnerisches Sommerwetter tut sein übriges. Beides verführt zu einer schon sehr lange geplanten Besichtigungstour von Wohnwägen. Schließlich könnte ein langgehegter Traum in Erfüllung gehen: zeitlos mit dem Wohnmobil durch die Welt zu touren.

Tag 3

Familyalarm – dringender Besuch vor Ort ist gefordert, um wichtige Alltagsentscheidungen zu unterstützen. Wichtiger Termin, der selbstverständlich den Urlaub unterbricht. Das Gefühl „wichtig zu sein und gebraucht zu werden“ überwiegt. Kaum vorstellbar für eine Vollblutführungskraft, dass sich die Welt weiter dreht, ohne dass man mitgestaltet. Es ist schon schwer loszulassen und sich dem süßen Nichtstun hinzugeben.

Tag 4-5

Sonnenschein, wandern, auf einer lauschigen Sonnenterrasse im nirgendwo sitzen und bloß auf Vogelgezwitscher, Blätterrauschen und Wasserplätschern zu hören – das Urlaubsfeeling hat endlich begonnen.

Tag 6

Regenwetter unterbricht die Wandertage. Was bleibt: Yoga, lesen, reden, kochen, essen. Unglaublich wie ruhig es ist und wie entspannt ein Tag ohne Termin- und Arbeitsdruck vergehen kann. Müßiggang kehrt ein – mir war heute erstmalig zehn Minuten langweilig und ich konnte es zulassen. Eigenartiges Gefühl, aber irgendwie amüsant und erheiternd. Eine neue Erkenntnis: Hausarbeit wie bügeln hat etwas Medidatives, wenn dabei der Fernseher ausgeschaltet bleibt. Die ruhige, gleichmäßige Bewegung – ohne Zeitdruck – lässt den Gedanken freien Lauf. Ich nehme mir vor, diese Tätigkeit zukünftig unter diesem neuen Erlebniseindruck zu sehen. Hiermit fügt sich das Bügeln in die Liste der Entspannunsaktivitäten ein – wer hätte das gedacht?

Tag 7-10

Die Zeit hat uns gefangen genommen. Die Tage vergehen gleichmäßig und unaufgeregt. Die Sinne werden klarer, die Stimmen heller, das Lachen öfter. Langeweile stellt sich immer wieder mal ein und verschafft den nötigen Zeitpuffer, um in Ruhe entscheiden zu können, wofür ich die Zeit am besten nutzen möchte. Das schafft Platz für neue Gedanken und ist unglaublich erholsam. Stille beim Wandern wechselt sich mit langen Abenden mit anregenden Gesprächen ab. Zeit ist kostbar und gleichzeitig in Fülle vorhanden. Entspannung bringt Leichtigkeit und neue Energie: Alles ist möglich!

Tag 11-12

Der Urlaub neigt sich dem Ende zu – ich kann und möchte mir im Moment gar nicht vorstellen wieder Fahrt im Arbeitsalltag aufzunehmen. Ich beschäftige mich gedanklich mit Ausstiegsszenarien, um diese Auszeit verlängern zu können, wage diese Gedanken jedoch nicht mal auszusprechen. Sie sind zwar verlockend, aber halten der Realität nicht stand. Ich bin einfach nur ruhiger als sonst und hänge diesen Gedanken nach.

Tag 13

Der Wind hat sich gedreht – heute am vorletzten Tag dieser besonderen Auszeit bin ich voller Tatendrang. Ich strotze vor Ideen und Visionen. Um diese zu Papier zu bringen, setze ich mich drei Stunden an den Schreibtisch. Ich weiß, was ich bis Jahresende will und habe in ein paar strategischen Themen grundsätzliche Entscheidungen getroffen. Alles geht leicht von der Hand – die Arbeitswelt hat mich wieder. Ich kann es kaum erwarten, die ersten Dinge in Angriff zu nehmen. Der Abschied fällt leicht!

Tag 14

Zurück ins urbane Umfeld. Die Geschwindigkeit ist enorm. Es braucht ein aktives Wiedereinklinken in das berufliche Hamsterrad. Ein Lächeln bleibt, Erinnerungen an Stille und Einsamkeit in der Natur blitzen als Sekundentagesträume auf und zaubern ein beständiges Lächeln in die Augenwinkel.

Fazit

Auszeit auf Dauer: Nein (noch) nicht! Auszeit immer mal wieder: Ja, sehr gerne! Es lohnt sich, Abstand zu nehmen und bewusst das Gegenteil vom Alltag zu tun. In dieser Auszeit habe ich gelernt, dass es wichtig ist, gleich zu Beginn des Urlaubs keine (privaten) Termine zu fixieren, damit man alles loslassen kann. Dass diese Phase bis zu drei Tage dauern kann, werde ich ab jetzt berücksichtigen. Was definitiv sein muß für diese Art der absoluten Auszeit, ist „Niemandsland“ und „Angebotslosigkeit“. Denn dadurch locken weder Konsumgüter noch retten Animationen vor der eigenen Langeweile. Man ist gezwungen, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und sich selbst etwas zur ihrer Befriedigung einfallen zu lassen. Das ist ungewohnt und neu, da sie im Alltag üblicherweise unter die Räder kommen und unberücksichtigt bleiben.

Was nehme ich fürs nächste Mal mit? 

Die Stille aushalten und zulassen lohnt sich – das erste Drittel ist gewöhnungsbedürftig und bringt möglicherweise ein Stimmungstief. Aber das zweite Drittel entschädigt über alle Maßen. Also Durchalten lohnt sich – es stärkt die Resilienz für ähnliche Situationen und ist als zukünftige Ressource auch im Arbeitsalltag jederzeit abrufbar.

Werde ich das wiederholen?

Ja, ganz sicher – gleich im nächsten Jahr! Denn diese Art Urlaub ist erfrischend und anders, wenn der berufliche Alltag dicht gedrängt und terminlich anspruchsvoll ist. Vielleicht plane ich sogar drei Wochen im nächsten Jahr ein oder besser noch: zweimal zwei Wochen.

Wenn man die wenigen Urlaubstage im Jahr nicht für Experimentierzwecke und Selbstversuche ver(sch)wenden möchte, kann man sich eine derartigen Auszeit in unserem „Retreat – reset & recharge“ Seminarangebot holen. In Kleingruppen von 4 – 8 Teilnehmern sichern bis zu zwei Coaches eine erholsame, energietankende Minimalstruktur und führen durch den Abschalt- und Entspannugnsprozess. Das natürliche, arbeitsferne Umfeld tut sein Übriges!

Hinweis: Bei personenbezogenen Bezeichnungen wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Bezeichnung gewählt.