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Unabkömmlichkeit im Urlaub – Teil 1: Struktur

Auamaier Unabkömmlichkeit

Auamaier Unabkömmlichkeit

„Ich nehme mir maximal eine Woche Urlaub. Da kann nicht viel passieren!“ oder „Ich checke immer meine E-Mails und bin rund um die Uhr erreichbar. Am Wochenende genauso wie im Urlaub. Daher kommt für mich nur Urlaub in einem Hotel mit leistungsfähigen WLAN in Frage!“, hört man als Coach oft von Führungskräften. „Meine Abteilungsleiterin verlangt von mir, dass ich sie in ihrem Urlaub einmal täglich zu einer bestimmten Uhrzeit anrufe. Und dann habe ich über alles Bericht zu erstatten. Wenn ich das nicht tue, ist sie ungehalten oder beleidigt!“, erklärt eine Mitarbeiterin, die jahrelang gängige Praxis in ihrem Unternehmen. 

Sind wir nur dann am Zenit unserer Karriere angekommen, wenn es ohne uns nicht geht – wenn wir unabkömmlich sind? Ist man nur dann wichtig und mächtig, wenn der Laden nur mit unserer Anwesenheit läuft? Darf sich auch ein Mitarbeiter Unabkömmlichkeit erlauben? Sicher nicht – das würde ja von ihm abhängig machen und das will und kann sich kein Unternehmen leisten. Was also ist jetzt die zeitgemäße Art und Weise mit Urlaubs(un)abkömmlichkeit umzugehen?

Standardisierung und Automatisierung sichern reibungslosen Ablauf auf operativer Ebene

Eine gewinnorientierte Organisation braucht wirksame Vertretungsregelungen. Dies gilt in sehr detaillierter und konkreter Form für die Mitarbeiterebene, weil hier das operative Tagesgeschäft zielgerichtet erfolgen sollte. Die täglichen/wöchentlichen/monatlichen Routinen sichern den Output, der für nachgelagerte Abteilungen in der Prozesskette zeitgerecht sicherzustellen ist. Und das sorgt letztendlich für positive Betriebsergebnisse des Unternehmens. Niemand kann sich heute Stillstand leisten – Betriebsurlaube werden immer spärlicher und sind oftmals nur mehr möglich, wenn vorher „eingearbeitet“ werden konnte. Bei all unseren just-in-time Abhängigkeiten muss ein reibungsloser Ablauf gegeben sein. Daher braucht es standardisierte Übergänge von einem Mitarbeiter auf den anderen, sodass bei Schichtwechsel, im Krankheitsfall und bei Urlaub die Arbeitsleistung gewärleistet ist. Standardisierung und Automatisierung unterstützen das im benötigten Ausmaß.

Jederzeit ersetzbar zu sein sichert den Arbeitsplatz

Immer seltener – aber manchmal doch noch – kommt bei Mitarbeitern daher das Gefühl der Ersetzbarkeit auf. „Wenn ich mein Wissen weitergebe, dann kann ich jederzeit ganz leicht ersetzt werden“, ist eine bekannte Widerstandsleistung von Mitarbeitern. Mag sein, dass vor 25 Jahren oder mehr in Unternehmen eine derartige Personalpolitik verfolgt wurde. Heute liegt nicht mehr das Ersetzen von Mitarbeitern im Fokus sondern eher der langjährige Verbleib der Mitarbeiter im Unternehmen. Der Grund dafür: Es ist in vielen Bereichen einfach vorteilhafter, mitzuwachsen und die immer rascheren Entwicklungen miterlebt zu haben. Gefragt ist das Bewusstsein nach einem qualitativ hochwertigen Miteinander. Gemeinschaftssinn und Zusammenarbeit ist die oberste Prämisse, um in Summe erfolgreich sein zu können. Es ist daher ein Muss, jederzeit ersetzbar zu sein. Das sichert paradoxerweise auf Dauer den Arbeitsplatz.

Führungskräfte, die Mitarbeiter führen, sind oftmals als Experten noch ins Tagesgeschäft eingebunden. Sie nehmen die Führungsrolle zusätzlich wahr, um Aufgabenverteilungen, Vertretungen, Planungen und Kontrolle von kurzfristigen Zielsetzungen und Maßnahmen zu treiben. Einerseits sind sie durch die Expertenrolle hoch gefährdet unabkömmlich zu sein – andererseits durch die über die Jahre der Reorganisation ausgedünnten Ressourcen. Wem soll man delegieren, wenn es im eigenen Team nur so von Junior-Mitarbeitern und Praktikanten wimmelt? Wem traut man es zu, in der eigenen Abwesenheit, die persönlichen Expertentätigkeiten zu übertragen?

Die gute Nachricht ist, Menschen wachsen mit ihren Herausforderungen. Zutrauen und Vertrauen sind die Unterstützer von Abwesenheitsregelungen. Ziel dieser Führungskräfte muss ein, so schnell wie möglich die eigenen Expertenaufgaben so im Team zu verteilen, dass man zwei Wochen abwesend sein kann. Das mag bei einer sehr jungen Mannschaft schon mal zwei bis drei Jahre Aufbauarbeit benötigen. Aber dann ist es zur Freude aller geschafft! Denn Mitarbeiter reüssieren besonders, wenn ihnen Verantwortung übertragen wird.

Führungskräfte können mit strategischer Urlaubsplanung abkömmlich sein

Führungskräfte im Mittelmanagement sollten im Regelfall nicht im Tagesgeschehen mitwirken. Das mag in besonderen Wachstums- oder Restrukturierungsphasen vorübergehend erforderlich sein – sollte aber keinesfalls mehr als ein, zwei Jahre in Anspruch nehmen. Die ganze Organisation muss mit Volldampf daran arbeiten, dass derartige Phasen in ruhigere, organisatorische Gewässer münden. Die Führungskräfte im Mittelmanagement sollten sich vielmehr mit mittelfristigen Strategien beschäftigen, die darauf vorbereiten sollen, wie in drei Jahren gearbeitet wird – also eine Optimierung von Prozessen und Strukturen und Weiterentwicklung von Produkten, Verfahren und Märkten. Derartige Arbeitsinhalte bedürfen intensive Abstimmung in Form von Meetings, Telefonkonferenzen, Dienstreisen. Daher ist man leicht abkömmlich, wenn gezielt Urlaub zu Zeiten geplant wird, wo auch die Kollegen im Urlaub sind. Oder auch typischerweise zu schulfreien Zeiten, wo mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Urlaub mit der Familie wird möglich, (leicht) reduzierter Geschäftsgang erlaubt das eher, Abwesenheit von Kollegen ist wahrscheinlicher.

Topmanager planen langfristig – auch ihren Urlaub

Topmanager haben sich auf strategische Inhalte auszurichten. Denn, wenn sie keine langfristigen Szenarien und Zielsetzungen entwickeln, wird es niemand im Unternehmen tun. Auch Aufsichtsräte springen da nicht ein. Das trügerische ist, dass es in der Gegenwart nicht auffällt, wenn die Strategiearbeit vernachlässigt wird. Und bei der Kurzfristigkeit der Topmanagementverträge ist eine Strategiearbeit über den eigenen Vertragszeitraum hinaus oftmals leider sogar kontraproduktiv. Trotzdem ist eine Urlaubsabwesenheit von bspw. zwei Wochen auf dieser Ebene in jedem Fall möglich. Es gibt keine strategische Entscheidung, die im Normalfall nicht zwei Wochen warten kann. Die Langfristigkeit der Inhalte macht es leicht planbar, Zeiträume zu wählen, die einen Urlaub gut ermöglichen. Auch gibt es unter den Direct Reports den Einen oder Anderen, der in jedem Fall eine qualitativ hochwertige Urlaubsvertretung sein kann. Oder die Urlaubsvertretung wird von einem Vorstands- oder Geschäftsführerkollegen auf derselben Ebene wahrgenommen – auch sie können in jedem Fall qualitativ hochwertigen Einsatz leisten. Nach rationalen Gesichtspunkten gibt es im Topmanagement viel weniger Gründe seinen wohlverdienten Urlaub anzutreten als auf Mitarbeiterebene.

Die Urlaubsplanung in Start-ups und EPUs ist besonders herausfordernd

Doch wie schaut dies bei den vielen Start-ups und EPUs aus, die oftmals quasi ihr Geschäft einstellen müssen, wenn Sie auf Urlaub sind? Da kann es wirklich schwierig sein, sich Urlaub zu erlauben. Schwingt doch (manchmal auch zu Recht) die Angst mit, Aufträge oder Kunden zu verlieren. Vor allem wenn man ein Business anbietet, in dem es viele Mitbewerber gibt (bspw. Training, Coaching, Consulting). Da hilft auf Dauer nur, sich das eigene Businessmodell gut zu überlegen. Denn bei diesen Dienstleistungen kann man nur Bestehen, wenn man entweder eine Nische so beherrschend besetzt, dass quasi die ganze Welt auf einen wartet – oder man findet win-win Situationen in Zusammenschlüssen und Kooperationen. Zuerst braucht es die Klarheit über das eigene Wollen, dann kann man es sukzessive in die Tat umsetzen – ein paar eingeschränktere Urlaubsjahre miteingeschlossen.

Wenn also dem wohlverdienten Urlaub aufgrund strukturierter und gelungener Vertretungsregelungen (Coaching kann in Form von Sparring dabei unterstützen) nichts mehr im Wege steht, dann wartet die nächste Herausforderung: Was fängt man mit der vielen Zeit für sich an?

Hinweis: Bei personenbezogenen Bezeichnungen wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Bezeichnung gewählt.

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