Seit 2013 muss laut Arbeitnehmerschutzgesetz in Österreich jedes Unternehmen ab nur einem angestellten Mitarbeiter eine Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz durchführen. Erst knapp die Hälfte der österreichischen Unternehmen hat diese Evaluierung bis dato durchgeführt. Bei einer Prüfung können Unternehmen, die diese Evaluierung nicht durchgeführt haben mit Geldbußen bestraft werden. Der Sinn der gesetzlich verpflichtenden Evaluierung ist es, Arbeitnehmer vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu schützen.

Psychische Belastung: Ungenügende Bewältigungsstrategie oder tatsächliche Belastung

In der Praxis gestaltet es sich gerade in Klein- und Mittelunternehmen mit wenigen Mitarbeitern pro Tätigkeitsbereich nicht immer ganz so einfach eine psychische Belastung auf Grund von Arbeitsmerkmalen, -abläufen, -umgebung oder Organisationskultur von einer persönlichen Empfindung zu unterscheiden. Menschen erleben unterschiedlich und färben Erlebtes auch unterschiedlich emotional ein. Eine psychische Belastung laut Gesetzgeber liegt vor, wenn zehn Mitarbeiter mit gleich guten Fähigkeiten den gleichen Tätigkeitsbereich als belastend beschreiben. In der Praxis benötigt es bei nur einem, zwei oder drei Mitarbeitern psychologisches Grundwissen, um eine Unterscheidung treffen zu können, ob eine Belastung vorliegt oder ob der Mitarbeiter ungünstige oder ungenügende Bewältigungsstrategien in Bezug auf die empfundenen Störquellen ausgebildet hat.

Hohe Kosten, großer Mehrwert

Gerade für Klein- und Mittelunternehmen mit unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und weitgehend nur einem Mitarbeiter pro Tätigkeitsbereich fallen dann doch einige Einzelinterviews an, die einen hohen Aufwand für den durchführenden Psychologen bedeuten und somit die Kosten doch etwas in die Höhe treiben.

Die gute Nachricht ist, dass Unternehmen für diese Kosten auch einen Mehrwert erhalten. Wenn Konflikte, brennende Themen, Wünsche nach Weiterbildung oder ähnliches in den Teams vorhanden sind und diese der Geschäftsführung noch nicht bekannt sind, weiß sie nach der Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz gewiss Bescheid und kann für Lösungen sorgen. Die Themen kommen in den Diskussionen ans Licht – auch wenn sie nicht Gegenstand der Untersuchung sind. Auch Psychohygiene wird betrieben, wobei die Mitarbeiter nachdem sie sich Luft gemacht haben meist selbst klar angeben, dass die Lösung für eine Veränderung in der Veränderung der eigenen Haltung liegt.

Fachkompetente Durchführung unbedingt notwendig

Mit der Durchführung der Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz sollte jemand betraut werden, der über unternehmerisches Denken, Kompetenzen in Organisationsentwicklung und über psychologisches Wissen verfügt. Vor allem wenn Gruppendiskussionen geführt werden, ist es wichtig in allen drei Bereichen Bescheid zu wissen, um stetig fachliche Inputs geben zu können. Mitarbeitern ist es nämlich mit ihrem Wissensstand nicht immer möglich in Diskussionen zu Lösungen zu gelangen. Manchmal ist es wichtig zu erkennen und den Hinweis zu geben, dass es sich gegebenenfalls um ein Selbstmanagement-Problem handelt. Denn ansonsten kann das definierte Ziel einer solchen Evaluierung nicht erreicht werden.